Vom Engagement

Oder: Setz deine Stärken endlich für das Richtige ein!

Wir Menschen sind schon faszinierend: Unsere Vielfalt, unsere unterschiedlichen Stärken und Talente, die Dinge, für die wir brennen und für die wir uns begeistern können. Die Zeit und die Mühe, die wir in die Dinge stecken, die uns wichtig sind, auch wenn sie von außen noch so absurd wirken. Auf Youtube und anderen Plattformen finden sich so viele Beispiele: Da gibt es Menschen, die tagelang an detaillierten Manga-Figuren aus Holz schnitzen, Menschen, die jahrelang perfektionieren Rettich hauchdünn zu schneiden, Menschen, die so lange tüfteln, bis sie endlich eine Reparaturmöglichkeit für die kaputte Küchenmaschine gefunden haben, Menschen, die Vogelstimmen nachahmen, die sich neue Spiele ausdenken, die malen, zeichnen, programmieren, kalkulieren und philosophieren, die bauen, zimmern, gärtnern, gestalten, schreiben und singen.


Vor ein paar Tagen habe ich einen Artikel von einer US-amerikanischen Musikerin gelesen, die dabei ist, die Geräuschkulisse in Krankenhäusern zu revolutionieren. Nach einem langwierigen eigenen Krankenhausaufenthalt, bei dem sie neben der Krankheit am meisten unter dem ständigen Piepen und Summen in absoluter Disharmonie gelitten hatte, machte sie sich daran, die Hersteller zu koordinieren und harmonische Alternativen zu den aktuellen Tönen zu finden. Neben der genialen Idee hat mich am meisten beeindruckt, was alles möglich ist, wenn wir unsere Talente für das Richtige einsetzen.

Was meine ich mit „das Richtige“? Die Dinge, die uns allen, unserem Planeten mit seiner Tier- und Pflanzenwelt und uns als Menschheit nützen. Ich könnte auch schreiben: das Sinnvolle. Oder auch: das Gemeinwohl. Den kleinen Sinn findet mit Sicherheit fast jeder in seinem Beruf, doch manchmal reden wir ihn uns auch einfach nur schön. Was würde mit der Welt passieren, wenn wir alle uns auf unsere ureigensten Stärken und Talente besinnen und diese in Bereichen einsetzen, wo sie allen anderen Menschen zu Gute kommen?

Bei der Arbeitsplatzwahl nimmt man oft das, was man kriegen kann, und was noch einigermaßen zu den eigenen Stärken und Wünschen passt. Die Alternativen sind schwierig und kräftezehrend: Selbständigkeit oder lange und intensive Suche nach einer Organisation, die gemeinwohlorientiert wirtschaftet und denkt. Und wer einen sinnvollen Bereich wählt (Stichwort: systemrelevant) wird in der Regel schlecht bezahlt und hat bescheidene Arbeitsbedingungen. Oft macht es mich traurig zu sehen, wie viel Talent täglich mit Tätigkeiten und in ein zerstörerisches System einzahlend verschwendet wird – wo doch diese Lebenszeit so gut in Bereichen eingesetzt werden könnte, wo sie uns allen zu Gute kommt. Welches unglaubliche Potenzial zur Lebensverbesserung wird hier vergeudet?

Ich habe für dieses Problem keine Lösung. Ein möglicher Hebel, den ich sehe, ist die Veränderung der Unternehmen und politischen Rahmenbedingungen hin zur Gemeinwohlorientierung. Unter der Oberfläche brodelt es bereits und es sind mehr und mehr Stimmen in der Welt, die diese Richtung einschlagen wollen. Was aber kann ich als einzelner tun, wenn ich weiß: Meine Talente und meine Lebenszeit setze ich gerade nicht für das Richtige, für das Gemeinwohlorientierte, für das Sinnvolle ein?

Eine Möglichkeit ist sicherlich das Ehrenamt. Eine andere ist die kontinuierliche Suche nach Organisationen und Unternehmen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Bei denen ich mir sicher sein kann, dass ich mit meinen Stärken keine zerstörerischen Produkte oder Strukturen unterstütze, sondern einen nachhaltigen und nützlichen Beitrag für die Gemeinschaft leiste. Es gibt diese Organisationen, gerade im Mittelstand, und ich hoffe und arbeite daran, dass es immer mehr werden.

Die Probleme unserer Welt sind vielfältig und komplex und sie spitzen sich immer weiter zu. Und keine Beschönigung hier: Es sind wirklich Probleme, keine Herausforderungen. Wenn wir nicht bald beginnen sie zu lösen, haben wir keine Zeit mehr. Doch da der Mensch so vielfältig, kreativ und beharrlich ist, habe ich große Hoffnungen, dass wir das können. Es geht jetzt erst einmal darum, an den richtigen Stellen anzusetzen und die eigenen Energien genau dort zu investieren, wo sie einen nachhaltigen Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Ich bin mir sicher: Es gibt für jede und jeden von uns was zu tun!

(geschrieben im Oktober 2020)

Zum Weiterschauen und Weiterlesen:

Die inspirierenden Dokus von plan b in der ZDF Mediathek: Hier gibt es viele Beispiele für innovative und zukunftsgerichtete Unternehmen in Deutschland, die sich für das Gemeinwohl einsetzen


Der großartige Kanal von Tilo Jung mit vielen persönlichen Geschichten von Engagierten, zum Beispiel: Ernst Paul Dörfler, Andreas Kemper, Schwester Katharina, Christian Felber


Der spannende Artikel über die Musikerin Yoko Sen und ihre Arbeit mit den Geräuschen des Krankenhauses in der Süddeutschen Zeitung


Das Grundlagenwerk zur Gemeinwohl-Ökonomie von Christian Felber - dazu gibt es bestimmt irgendwann auch nochmal einen separaten Artikel: Christian Felber: Gemeinwohl-Ökonomie


Ein wunderschönes Buch für Hochsensible, das gerade dieser Gruppe beim Finden der eigenen Berufung helfen kann: Dr. Marianne Skarics: Sensibel kompetent. Zart besaitet und erfolgreich im Beruf



Diesmal kein kleiner Werbeblock am Rande

Was wäre die Welt schön, wenn ich ohne diesen Teil auskäme.